Google, Amazon & Co wissen scheinbar alles über uns. Ganz zu schweigen von Hackern und Geheimdiensten. So werden z.B. die Daten eines amerikanischen Bürgers offen gehandelt - Geburtsdaten, Sozialversicherungsnummer, Bonität, Kaufvorlieben,… Big Data ist allgegenwärtig, wir sind digital vermessen und bis ins kleinste Detail kontrolliert bei allem was wir tun – egal vor dem Computer, beim Online-Banking oder bei der Bezahlung mit einer Kreditkarte. Unsere persönlichen sowie Versicherungsdaten sind bekannt - auch ohne Facebook oder Twitter Account. Und so macht uns das Kaufhaus Amazon oder der Suchdienst Google erschreckend passende Kauf- und Suchvorschläge - so glaubt man auf jeden Fall auf den ersten Blick. Von Hackern wird uns zudem eindrucksvoll vorgeführt, wie sie unseren Tagesablauf auf’s Genaueste nachvollziehen können und wissen, dass wir uns z.B. heute Abend im Fitnessstudio befinden werden. Schön für sie. Ich weiß es nämlich tatsächlich noch nicht sicher.
Die Diskussion darüber, ob aus dem wirtschaftsfördernden Big Data - den riesigen digitalen Datenmengen - schon Big Brother - der allgegenwärtige Überwachungsmechanismus - geworden ist, ist nicht neu. Für viele ist überhaupt Privatsphäre nur eine ganz kurze historische Episode in der Geschichte der Menschheit und es klar ist, dass wir nur Teil eines großen Ganzen sind. Noch drastischer ist es in Amerika. Wirtschaft funktioniert anscheinend nur dann, wenn der Mensch durchschaubar ist und seine Glücksmomente, seine Vorlieben und damit sein Kaufverhalten bekannt ist. Aber sind diese Kenntnisse wirklich so gut, und das digitale Bild, das von mir gezeichnet wird, wirklich so richtig? Ich meine nein.
Suchmaschinen kennen mein Profil. Sie schaffen es in kürzester Zeit besser, umfangreiche Privatdaten über uns zusammenzutragen, als es Unternehmensführungen in langjährigen, firmeninternen Recherchen schaffen würden. Zumindest über das, was ich suche und damit wahrscheinlich auch über das, was mich beschäftigt und bedrückt. Ob mir damit die digitale Welt wirklich so überlegen ist und sie mich so gut kennt, weiß ich nicht. Um was geht es denn den großen Online-Konzernen? Darum mich wirklich zu kennen oder darum, ihren potentiellen Wirtschaftspartner zu suggerieren, dass sie mich kennt? Mich zu kennen ist mehr als meine Käufe zu analysieren. Ein Beispiel: So schlägt mir eine Suchmaschine nachdem ich zwei Mal Schuhe gekauft habe, als Anzeige permanent Schuhe vor. Nachdem ich beruflich mehrmals über Südafrika recherchiert habe, erhalte ich nun permanent Werbung von Hotels in Südafrika. Und glauben Sie mir, ich kaufe das nächste halbe Jahr sicher keine Schuhe mehr (obwohl ich Frau bin) und werde Südafrika auch sicher nicht bereisen. Was ich aber sehrwohl mache, ist bewusst oder unbewusst auf die Werbung klicken. Das ist alles, was die Suchmaschine von mir verlangt, denn der Online-Dienst erhält mit diesem Klick Geld. Sie muss mich dazu nicht wirklich kennen und das will sie meiner Meinung auch gar nicht.
Wir alle könnten ohne die digitale Welt kaum mehr leben und schätzen die Vorteile von Suchmaschinen und Online-Shops. Anstelle darüber zu diskutieren, wie gläsern wir sind, wäre es doch viel sinnvoller, sich selber an der Nase zu nehmen. Natürlich sind in den digitalen Datenmengen unser Geburtsort, unser Lebensweg, unsere Adresse, Telefonnr., unser Familienstand und unsere Krankheiten bekannt. Aber müssen wir wirklich alles per Facebook, E-mail und Twitter mitteilen? Ist es wirklich notwendig, dass wir mit unseren „digitalen Freunden“ teilen, was wir gegessen, was wir im Kino angeschaut und was wir für Schuhe dabei anhatten? Ist es für uns das Wichtigste, was unsere sogenannten „Freunde“ davon halten? Macht das unser Leben aus?
Müssen wir trendy sein und ist es unser größter Traum, Trendsetter zu werden?
Müssen wir wirklich jeden Trend, und jede Schein-Wahrheit, die uns in der digitalen Welt vorgestellt wird, nachmachen? Wir sind es, die die Anzeigenvorschläge der Suchmaschinen annehmen, die dem neuesten Kosmetik-Trend folgen und die das für die Wahrheit halten, was man uns digital vorsetzt. Wenn ich die 12 bis 14 Jährigen in meiner Umgebung frage, haben erscheckend viele den Wunsch, Influencer zu werden. Nicht Tischler, Mechaniker oder Gärtner. Nein. Sie möchten dafür bezahlt werden, dass sie Dinge testen und ihnen möglichst viele Leute blind folgen und ihrer Kritik vertrauen. Dafür bezahlt werden scheint verlockender zu sein, als selbst etwas zu schaffen und zu leisten.
Seien Sie, was Sie sein möchten!
Eines ist klar. Was wir spontan in unserem Wohnzimmer tun, worüber wir lachen und weinen, was uns gefällt, wen wir umarmen, was wir dabei fühlen und was wir dabei lernen kann maximal einer der anwesenden Personen an die Öffentlichkeit tragen. Aber macht nicht genau das unser Leben aus, wenn uns jemand anlächelt, unsere Gedanken teilt, mit uns etwas bewegen möchte? Egal wie gut oder schlecht uns die Pasta mit Kokosmilch und Shrimps uns gelungen ist oder wie toll das Shirt geworden ist - unser erster Versuch etwas selbst zu nähen - wir haben es selbst geschaffen. Wir müssen das nicht mit einer großen Community teilen oder damit jemand beweisen, dass wir kreativ sind. Es ist nur für uns! Wir sind nicht etwas wert, weil wir berechenbar sind, sondern deshalb, weil wir sind, wie wir sind. Wir können lernen, uns ändern und auch ganz spontan mal etwas Verrücktes tun.
Vielleicht weiß Big Data auch, dass ich Montag abends seit gut 2 Jahren um 18 Uhr immer im Fitnessstudio bin. Aber heute hat das Wetter spontan aufgeklart. Nach einem verregneten Tag bricht die Sonne gerade überraschend durch die Wolkendecke. Und heute gehe ich einfach einmal in den Rheinauen spazieren. Ganz allein. Der Sonnenuntergang ist überwältigend. Und keine Suchmaschine der Welt weiß gerade, dass ich Glückstränen in den Augen habe.
Nel
Freie INIZIO Redakteurin
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